Michael in „Der Vorleser“
Michaels Gefühlsunsicherheiten beginnen im größeren Umfang erst im zweiten Teil. Am Ende des ersten Teils fragt sich Michael lediglich, ob er zu Hanna gehen soll, die plötzlich im Schwimmbad auftaucht. (vgl. Seite 78, Zeilen 6-19). Als Michael im zweiten Teil herausfindet, dass Hanna Analphabetin ist und ihr Schicksal entschieden davon abhängt, ob sie den Bericht geschrieben oder nicht geschrieben hat, fragt sich Michael, wie er handeln soll: „Ich konnte zum Vorsitzenden Richter gehen und ihm sagen, dass Hanna Analphabetin war.“ (Seite 132, Zeilen 1-3), andererseits; „Aber war sie´s wirklich wert?“ (Seite 132, Zeile 26). Ebenso weiß er nicht, ob er Hannas Verbrechen verstehen oder verurteilen soll (Seite 151, Zeilen 23-24).
Am Ende ging er zum Richter, erwähnte aber den Analphabetismus nicht. Michael vergleicht ebenso das Zusammensein mit Hanna mit dem Zusammensein seiner Frau oder anderen Freundinnen (vgl. Kapitel 2 Teil 3), was sagen soll, dass er nicht weiß, was er genau möchte. Als Hanna nach 18 Jahren Haft entlassen werden soll und die Leiterin ihn um einen Besuch bittet drückt er sich davor (Seite 183, Zeile 25) und gewährt ihr auch keinen Platz in seinem Leben (vgl. Seite 187, Zeilen 7-8). Andererseits erfüllt er Hannas letzten Wunsch nach ihrem Tod und reist dafür sogar nach New York (vgl. Kapitel 11, Teil 3). Am Ende schreibt er die Geschichte auf, um sie zu verarbeiten, da sie ihm immer mehr entgleist. Ihr Grab besuchte er nur einmal.